Seitenbereiche
Inhalt

Kurzarbeitergeld vs. Rettungsschirm

Kurzarbeitergeld vs. Rettungsschirm?

Seit dem vergangenen Wochenende kursieren verschiedene Pressemitteilungen, wonach niedergelassene Vertragsärzte und Kliniken, die Mittel aus dem Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) vom 27.03.2020 erhalten, kein Kurzarbeitergeld erhalten können.

Die Bundesagentur für Arbeit hat am 24.04.2020 eine Weisung (Aktenzeichen 75095/7506) in Bezug auf die Bearbeitung von Sachverhalten zum Kurzarbeitergeld erlassen. Leistungserbringer im Gesundheitssystem haben zwar generell einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, aber der Rettungsschirm stelle eine Art Betriebsausfallversicherung dar, damit fehlt es an den erforderlichen wirtschaftlichen Gründen, sodass kein Raum für die Gewährung von Kurzarbeitergeld verbleiben soll.

Die  Kassenärztliche Bundesvereinigung ist der Auffassung (Veröffentlichung auf der Website vom 27.04.2020), dass Kurzarbeitergeld grundsätzlich für Praxen in Betracht kommt, die aufgrund ausbleibender Patienten mit einer privaten Krankenversicherung existenzbedrohende Umsatzeinbußen erleiden. Die Einnahmeausfälle aus der privaten Krankenversicherung werden nicht durch den GKV-Schutzschirm kompensiert. Vertragsärzte, die Kurzarbeitergeld aus diesem Grund für ihre Mitarbeiter beantragen, haben dies gegenüber der Arbeitsagentur deutlich zu machen. Ob eine Zahlung erfolgt, liegt in der Entscheidung der Behörde.

 

Corona-Hilfspaket: Was können Vertragsärzte erwarten?

Der Schutzschirm für die Vertragsarzt- und Vertragspsychotherapeutenpraxen umfasst Leistungen, die aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung honoriert werden, und Leistungen, die extrabudgetär bezahlt werden.

Er sieht Folgendes vor:

  • Praxen mit Umsatzverlusten von zehn Prozent und mehr und einem pandemiebedingten Rückgang der Fallzahlen können einen Ausgleich für extrabudgetäre Leistungen wie Früherkennungsuntersuchungen, Impfungen oder ambulante Operationen erhalten. Vergleichszeitraum ist das jeweilige Quartal des Vorjahres.
  • Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) trotz reduzierter Leistungsmenge im regulären Umfang an die Kassenärztlichen Vereinigungen aus. Sie müssen also genauso viel Geld für die Versorgung der Patienten bereitstellen wie zu „normalen“ Zeiten. Somit können Verluste bei MGV-Leistungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen kompensiert werden.

Nach welchen genauen Vorgaben die Verluste in der extrabudgetären Gesamtvergütung und in der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ausgeglichen werden, wird derzeit zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen verhandelt.

Gesetzliche Grundlage: Die Ausgleichszahlungen für Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sind im Paragrafen 87a Abs. 3b S. 3 SGB V geregelt.

 

Bundesagentur für Arbeit: Kurzarbeitergeld

Kurzarbeitergeld (KUG) wird unter bestimmten Voraussetzungen gewährt, wenn in Betrieben oder Betriebsabteilungen die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit infolge wirtschaftlicher Ursachen oder eines unabwendbaren Ereignisses vorübergehend verkürzt wird.

Das Kurzarbeitergeld ist laut Bundesagentur für Arbeit dazu bestimmt, den Betrieb und die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer zu erhalten sowie den Arbeitnehmern einen Teil des durch die Kurzarbeit bedingten Lohnausfalls zu ersetzen. Sind der Betrieb und die Arbeitsplätze nicht gefährdet, ist das Kurzarbeitergeld zu versagen.  

In der o.g. Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 24.04.2020 (gültig bis 31.12.2024) ist genau das näher geregelt; dazu heißt es: „Vertragsärzte haben bei einem, z.B. auf einer Pandemie beruhenden Honorarausfall von mehr als 10 % Anspruch auf Ausgleichszahlungen nach § 87a Abs. 3b SGB V. Dadurch wird der Arbeitsausfall ähnlich einer Betriebsausfallversicherung ausgeglichen, so dass kein Raum für die Zahlung von KUG besteht.“

 

In der Gesetztesbegründung zum COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz heißt es zu Nummer 1 (§ 87a SGB V) - Bundestagsdrucksache 19/18112 vom 24.03.2020, Seite  32):

"Mit der Regelung in § 87a Abs. 3b wird das Ziel verfolgt, vertragsärztliche Leistungserbringer vor einer zu hohen Umsatzminderung bei der Abrechnung extrabudgetärer vertragsärztlicher Leistungen zu schützen. Voraussetzung ist, dass die Minderung mehr als 10 Prozent des Gesamthonorars des Vorjahresquartals ausmacht (im Durchschnitt entspricht dies einem Betrag in Höhe von rd. 5.600 Euro im Quartal) und in einem Fallzahlrückgang aufgrund einer geringeren Patienteninanspruchnahme in Folge einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses begründet ist. Die Ausgleichszahlung ist zu mindern, soweit der vertragsärztliche  Leistungserbringer Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz oder finanzielle Hilfen aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen (z.B. kurzfristige Liquiditätshilfen für freie Berufe durch Kreditinstitute) erhält.

Im Zusammenhang mit der Regelung in § 87b Abs. 2a wird durch die Ausgleichszahlung gewährleistet, dass die Fortführung der Arztpraxis auch im Falle einer Pandemie, Epidemie, Endemie, Naturkatastrophe oder eines anderen Großschadensereignisses bei Fallzahlrückgängen durch eine reduzierte Patienteninanspruchnahme gesichert ist. Die an die vertragsärztlichen Leistungserbringer geleisteten Ausgleichszahlungen sind der Kassenärztlichen Vereinigungen von den Krankenkassen zeitnah zu erstatten. Die Kassenärztliche Vereinigung hat den Krankenkassen hierzu alle nochtwendigen Daten zur Verfügung zu stellen."  

 

Sonderfrage: Ausgleichszahlung als Ersatz für Kurzarbeitergeld? 

Aus unserer Sicht sprechen folgende Sachverhalte gegen die Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit:

  • Die Ausgleichszahlung nach § 87a Abs. 3b SGB V stellt ausschließlich auf das vertragsärztliche Honorar ab.
  • Honorarminderungen bei Privatversicherten, IGEL bzw. Selbstbeteiligungen, ggf. ambulanten oder stationären Operationen u.ä. werden nicht ausgeglichen.
  • In vielen Praxen ist das Honorar der Kassenärztlichen Vereinigung nur ein Teil der Gesamteinnahmen. Durch die auf das KV-Honorar begrenzte Ausgleichszahlung wird der Umsatzausfall in den allermeisten Praxen nicht kompensiert.
  • Die gesetzlichen Voraussetzung für das Kurzarbeitergeld stellen nicht auf einen Umsatzausfall ab, sondern auf einen erheblichen Arbeitsausfall, der in den meisten Praxen aufgrund Ausbleibens der Patienten gegeben ist. 

 

Sonderfrage: Können Vertragsärzte auf die Ausgleichszahlung verzichten?

Sollte sich die Ansicht der Bundesagentur für Arbeit durchsetzen und sich der Bezug von Kurzarbeitergeld günstiger darstellen als die Zahlungen aus dem Rettungsschirm, stellt sich die Frage, ob Vertragsärzte auf Zahlungen aus dem Rettungsschirm verzichten können.

  • Der Wortlaut des § 87a Abs. 3b SGB V ("kann die Kassenärztliche Vereinigung eine befristete Ausgleichsleistung an den vertragsärztlichen Leistungserbringer leisten") und die Handhabung ähnlicher Vorgänge in der Vergangenheit spricht  dafür, dass Vertragsärzte einen Ausgleich aus dem Rettungsschirm ausdrücklich beantragen muss.
  • Weitergehende Details zu diesen Neuregelungen bzw. untergesetzlichen Ausführungsregelungen müssen erst noch zwischen den Vertragsparteien der Selbstverwaltung der Krankenkassen, Ärzte und Krankenhäuser ausverhandelt werden.

 

Sonderfrage: Gilt das auch  für Zahnärzte?

Vertragszahnärzte fallen nicht unter den o.g. Rettungsschirm nach dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz, stattdessen hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 11.04.2020 einen Rettungsschirm für Therapeuten und Zahnärzte angekündigt - die Maßnahmen sollen noch vor Ende April 2020 in Kraft treten.

  • Heilmittelerbringer (z.B. Physiotherapeuten) sollen 40% ihrer Vergütung aus dem IV. Quartal des Jahres 2019 als Einmalzuschuss erhalten.
  • Zahnärzte erhalten zunächst 90% der Vergütung des Jahres 2019 trotz kräftig gesunkener Patientenzahlen; Am Ende des Jahres können sie 30% der Differenz zwischen angenommener Gesamtvergütung für das laufende Jahr und tatsächlich erbrachter Leistung behalten.
  • Auf diese Leistungen werden andere Unterstützungsmaßnahmen wie Soforthilfen für Selbstständige und das Kurzarbeitergeld nicht angerechnet
  • Im Ergebnis handelt es sich zumindest bei Zahnärzten nur um ein "Rettungsschirmchen", beziehen sich die 90% nur auf die Hälfte der Einnahmen eines Zahnarztes, da Leistungen im Bereich Zahnersatz oder Zuzahlungen der Patienten zum beispiel für Füllungen nicht erfasst werden.
  • Nach  Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums soll Kurzarbeitergeld - wie erwähnt -  nicht  angerechnet werden.
  • Dies könnte im Umkehrschluss bedeuten, dass das Ministerium selbst davon ausgeht, dass zumindest Zahnarztpraxen berechtigterweise Kurzarbeit eingeführt haben.
  • Ob und inwieweit der Rettungsschirm für Zahnärzte überhaupt kommen wird, ist derzeit unklar. Einzelne KZVen haben diesen für ihre Mitglieder bereits abgelehnt. Zudem wird der Rettungsschirm aufgrund einer Intervention der SPD bereits auf bundespolitischer Ebene grundsätzlich in Frage gestellt.

 

WAS KÖNNEN WIR EMPFEHLEN?

  • Sollte ein Leistungsantrag auf Kurzarbeitergeld von der zuständigen Arbeitsagentur abgelehnt oder widerrufen werden, sollte die Einlegung von Rechtsmitteln geprüft und erörtert werden.
  • Aufgrund des bestehenden Restrisikos sollte die Kurzarbeit - soweit möglich - reduziert bzw. beendet werden.
  • Der Praxisbetrieb sollte unter Einhaltung von entsprechenden Hygienemaßnahmen bei steigenden Patientenzahlen wieder hochgefahren werden.

 

Ergänzende Sonderfrage: Kurzarbeitergeld und Urlaub

Die Regelungen zu Urlaub während der Dauer der Kurzarbeit wurden angepasst:

  • Hat ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Urlaub, ist das volle Urlaubsentgelt (gemessen am bisherigen Verdienst  vor Kurzarbeit), ohne Abzug durch den Arbeitgeber zu zahlen. Es erfolgt keine Erstattung durch die Arbeitsagentur.
  • Urlaub aus dem Jahr 2020 muss nicht vorab eingebracht werden. Mitarbeiter müssen also zum aktuellen Zeitpunkt keinen Urlaub nehmen, sondern können diesen anderweitig in 2020 verplanen.
Mit diesem QR-Code gelangen Sie schnell und einfach auf diese Seite
Mit diesem QR-Code gelangen Sie schnell und einfach auf diese Seite

Scannen Sie ganz einfach mit einem QR-Code-Reader auf Ihrem Smartphone die Code-Grafik links und schon gelangen Sie zum gewünschten Bereich auf unserer Homepage.